Bald winkte die Ruhr-Quelle, ein kleines Plastikrohr, aus dem Wasser tröpfelte. Wenige Meter weiter allerdings befand sich die offizielle, in Bruchstein gefasste Quelle des Flusses Ruhr, aus der dann doch ein wenig mehr Wasser floss.

Die meist unbefestigten Wege zum Tagesziel Bestwig waren - anders als es der Name der Stadt vermuten lässt - nicht unbedingt die besten. Recht holperig ging es durch die Felder und bei sonnig-warmem Wetter auch schweißtreibend die Höhen hinauf. Die Ruhr war nur als dunkler Streifen in den Wiesen zu erkennen. In Bestwig schmeckte das Bier an diesem Abend besonders gut.

 

 

Tag 2

Was kann es schöneres geben als einen Tagesstart im Regen? Der Regen war es auch, der die Gruppe zur Höchstform auflaufen ließ – es gab kaum eine Minute, in der der Himmel seine Schleusen schloss. Die gut 60 Tageskilometer flogen daher nur so unter den Rädern dahin. Arnsberg kann auch im Regen schön sein. Die Zahl anderer Touristen hielt sich sehr in Grenzen, und so hatten wir die hübsche, auf einem Bergrücken gelegen Stadtkulisse nahezu für uns allein. Neben dem Sightseeing der Gebäude durfte ein Besuch der alten Gerichtsstätte nicht fehlen. Im 15. Jahrhundert befand sich hier Deutschlands bedeutsamster Gerichtsort. Noch heute ist der steinerne Richtertisch mit dem Schwert zu sehen, das manch einen Verurteilten kurzerhand einen Kopf kürzer machte.

 

Nach einem kurzen Unwetter galt es den Weg von herabgerissenen Ästen und einem umgestürzten Baum frei zu räumen. Bei der Gelegenheit trafen wir einen radelnden Mann mit all seinem Hausrat. Angeblich war er das schwarze Schaf einer angesehenen Familien aus Mülheim an der Ruhr…

 

Der Wirt unserer Herberge in Wickede freute sich, dass unsere nasse Ausrüstung seine Zimmer schmückte und spendierte uns einen Lappen zur gründlichen Reinigung unserer arg verschlammten Räder.

 

 

 

Tag 3

Das erste Etappenziel des glücklicherweise wieder trocknen und sonnigen Tages erinnerte uns daran, dass wir das landwirtschaftlich orientierte Sauerland verließen und uns der Industrieregion Ruhr näherten. Nach heute erinnert das Kettenschmiedemuseum in Fröndenberg daran, dass im 19. Jahrhundert hier besonders begehrte weil massive Ketten geschmiedet wurden. Auch die Papierindustrie hat ihre Spuren hinterlassen, wie der 14 Meter hohe Fröndenberger Trichter im Landschaftspark Ruhraue eindrucksvoll beweist.

 

Das Tagesziel Wetter-Wengern hielt eine besondere Überraschung bereit. Wer kennt es nicht, das „Praktische Kochbuch“ der Henriette Davidis? Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert galt es als das Kochbuch schlechthin. Wir sahen das Knusperhäuschen, in dem sie lebte und arbeitete. Sogar unser Hotel war nach ihr benannt. So gar nicht dazu passen wollte „Kerstins svensk restaurang“, das sich im Hotel befand. Statt Hausmannskost gab es hier schwedische Spezialitäten, die wir uns genüsslich schmecken ließen.

 

Tag 4

Der Wirt unseres Hotels schien Sprechperlen genommen zu haben. Nach einer schier unendlichen Quasselstunde, in der wir die gesamte Familien- und Hausgeschichte erfuhren, erreichten wir die ersten Ruhr-Seen: Der Hengsteysee mit dem Speicherkraftwerk „Koepchenwerk“ und der Harkortsee mit dem imposanten Ruhrviadukt. Die erste Tiefbauzeche „Nachtigall“ im Muttental bei Witten ist die Wiege des Ruhrbergbaus. Nach einer Außenbesichtigung ging es weiter zur Burgruine Hardenstein. Auf den Ruf „Fährmann, hol über“ erschien hier tatsächlich eine kleine Fähre, die Radler kostenlos über die Ruhr schippert.

 

Kemnader See, Henrichshütte, Baldeneysee. Immer vertrauter klangen die Namen, bis wir am Schloss Broich den Ruhrtalradweg für kurze Zeit verließen. Nach einer Nacht daheim ging es an

 

Tag 5

über alt bekannte und oft gefahrene Wege nach Duisburg zur Ruhrmündung. Gerade rechtzeitig zu unserer Ankunft war die 25 Meter hohe Skulptur „Rheinorange“ frisch angestrichen worden. Hier endete der offizielle Ruhrtalradweg. Der Rückweg nach Mülheim mit Einkehrschwung am Duisburger Innenhafen war dann die Kür.

So endete nach 270 km, 621 Höhenmetern und über 17 Stunden reiner Fahrzeit eine spannende, kurzweilige Radtour (für mich die Premiere) auf Deutschlands wohl bekanntesten Flusstalradweg und mit einem selbst bei strömendem Regen nicht unterzukriegenden Team

 

Text und Fotos
Wolfgang Schaar