Aber nicht nur links der Ruhr war man auf Sicherheit bedacht. Auf der gegenüber liegenden Ruhrseite bot sich der Kirchenhügel als Gegenpol zur Broicher Festung an. Als Eigentümer eines Herrensitzes, an dem ein Grafengericht tagte, treten in einer Urkunde aus dem Jahr 1093 die Herren von Mulenheim auf. Viel ist hierüber nicht bekannt – nur dass sich hier am Anfang des 13. Jahrhunderts zwei Güter befanden: der Altenhof und den Maurenhof, beide im Besitz des Grafen von Altena-Isenberg. Bei Umbauarbeiten an der Petrikirche wurden Fundamente einer Saalkirche entdeckt, die um 1200 als Hofkapelle des Herrenhauses errichtet worden war.
Der Turm der Mintarder Kirche soll im 11. Jahrhunderts errichtet worden sein (Mintard wurde 1975 eingemeindet.)

Der Kirchturm der Petrikirche in seinem unteren Teil war mit Sicherheit ein Wehrturm, er war bis ins 20. Jahrhundert im Besitz der Stadt. Der Herzog von Kleve veranlasste 1442, den Kirchenhügel in einen verteidigungs- fähigen Zustand zu versetzen. Spätestens seit dieser Zeit ist der Kirchenhügel die Keimzelle einer dörflichen Siedlung.

Welche Entwicklung nahm der Raum auf der linken Ruhrseite bis zur Eroberung der Festung am Broicher Ruhrübergang durch den Erzbischof von Köln?

Zunächst wurden in der Anlage Truppen nur in Krisenzeiten stationiert und die Festung verfiel mehr und mehr. Um dem Verfall zu begegnen, belehnten die Grafen von Berg im 11. Jahrhundert die Herren von Broich mit der Herrschaft. Ihre Herkunft gilt als nicht geklärt. Durch Einheirat traten 1372 mit Dietrich IV. die Grafen von Limburg die Nachfolge an und begründeten die Linie der Grafen von Limburg-Broich. Schrittweise entsteht im 15. Jahrhundert der Palas als repräsentatives Wohngebäude. Die Festung wird mit Ringmauer und einem Bergfried ausgebaut und wird Grenzfestung zwischen den Territorien Kleve und Berg. Als solche wird sie mehrfach vergeblich durch die Kölner Erzbischöfe belagert. Erst 1443 gelingt es den Kölnern mit Hilfe mehrerer Verbündeter und einem Heer von 22.000 Mann.

Die Sieger erklären sich bereit, die Burg neu aufzubauen und zu befestigen. Die Schäden werden bis zum Jahr 1444 mit 6.000 Rheinischen Goldgulden beseitigt. Bei der Instandsetzung wird der Bergfried abgebrochen, eine geplante Steinbrücke über die Ruhr entsteht jedoch nicht.

Als weitere geschlossene Siedlungen innerhalb des heutigen Stadtgebiets entwickeln sich das Dorf Saarn und die Burgsiedlung Unter-Broich.

Auf der rechten Ruhrseite verläuft die Entwicklung etwas anders.

Nach dem Aussterben der Herren von Mulinhem (möglicherweise während der Kreuzzüge) erhält der Kirchenhügel mehr und mehr den Charakter eines Dorfes. Die Hofkapelle wird zur Pfarrkirche Sankt Petrus ausgebaut und ist die Kirche für die Herrschaft Broich und Grablege der Grafenfamilien, die auch über die Besetzung der Pfarrstellen bestimmen..

Es bilden sich im Mülheimer Raum Honnschaften, das sind bäuerliche Siedlungskerne, die für die Verteidigung bei kriegerischer Bedrohung zuständig sind. Ein kleinerer Teil Styrums wird als Oberhof Sitz der selbständigen Reichsgrafschaft Styrum.

Die Zeit der Reformation an der unteren Ruhr

Die reformatorische Bewegungen von Martin Luther und Jean Calvin kommen auch an den Niederrhein und die untere Ruhr. Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden sind Anhänger Calvins und verbreiten diese Form der Reformation in Wesel und Duisburg. Die Anhänger Luthers fassen in Essen und Werden Fuß. Die konfessionelle Landschaft bildet sich bis ins 17. Jahrhundert hinein nicht ohne Probleme heraus. So hing damals an der Petrikirche – wie auch anderswo – die konfesionelle Prägung vom Einfluss der Kirchenpatrone in Broich und Styrum ab, die ihr Recht auf die Besetzung der Pfarrstellen wahrnahmen. Der katholische Graf von Styrum sorgte dafür, dass an St. Petrus weiterhin die heilige Messe gelesen werden konnte, während die Grafen von Daun-Falkenstein und Herren von Broich, die zwischen Calvinismus und Luthertum schwankten, evangelische Prediger auf ihre Pfarrstelle beriefen. Evangelische und katholische Gottesdienste fanden daher eine zeitlang hintereinander statt.

Der Konfessionsstreit war erst beigelegt, als Theodor Undereyck, reformierter Pfarrer an der Petrikirche von 1660-68, den Styrumer Grafen ihren Anteil am Patronatsrecht abkaufte. Einige Jahre zuvor hatte Graf Wilhelm Wirich den Lutheranern den Bauplatz für eine eigene Kirche an der Delle geschenkt.

Wer da in Mülheim noch katholisch geblieben war, musste in die Klosterkirche in Saarn oder in die Schlosskapelle in Styrum gehen.

Text: Günter Fraßunke