In friedlicherer Zeit geht es hier um Männer, die durch das Wort in die Geschichte Mülheims eingingen und sogar weit darüber hinaus: Gerhard Tersteegen, Arnold Kortum, Hermann Adam von Kamp und August Bungert.

Gerhard Tersteegen wurde 1697 in Moers geboren und besuchte schon als Sechsjähriger die Lateinschule Adolfinum um danach Theologie zu studieren. Der Tod des Vaters und die Armut der vielköpfigen Familie beendeten seinen Berufswunsch. Um den väterlichen Beruf des Kaufmanns zu lernen, ging er bei einem Verwandten in Mülheim in die Lehre.

Nachdem er nach persönlicher Bekehrung zum bewusst erlebten Glauben und zur gelebten Gottesbeziehung gefunden hatte; gab er seine berufliche Tätigkeit auf und lebte von Gaben zu seinem Lebensunterhalt. Seit 1728 wirkte Tersteegen als Laienprediger und der „einzige Mystiker des reformierten Pietismus“. Er predigte am Niederrhein und in den Niederlanden. Als Schriftsteller trat er u.a. als Übersetzer katholischer Mystiker und Kirchliederdichter hervor. Neun seiner Lieder stehen im evangelischen Gesangbuch. Tersteegen starb 1769 in Mülheim. In vielen Städten tragen soziale Einrichtungen den Namen von Gerhard Tersteegen. Sein Wohnhaus auf dem Kirchenhügel ist Teil des Mülheimer Heimatmuseums. Sein Grabmal steht am Petrikirchenhaus, im Witthausbusch steht ein Gedenkstein mit Tersteegens wohl bekanntester Verszeile „Ich bete an die Macht der Liebe …“, auch ist eine Straße nach ihm benannt.

Carl Arnold Kortum kam 1745 in Mülheim als Sohn eines Apothekers zur Welt. Weil er die Apotheke nicht erben konnte, sollte Carl Arnold studieren. Dazu musste er nach dem Besuch der Volksschule in Mülheim aufs Archigymnasium in Dortmund, eine evangelische Gelehrtenschule und eine der ältesten Schulen in Deutschland. In Dortmund konnte er bei einem Onkel wohnen. Nach seinem Schulabschluss ging es nach Duisburg, wo er an der alten Universität Medizin studierte. Nach sechs Semestern war er promoviert und ließ sich mit 22 Jahren in Mülheim als Arzt nieder. Kortum machte eine Fortbildung an der Berliner Charité und kam nach Mülheim mit besten Zeugnissen und der Lizenz, auch in Preußen praktizieren zu dürfen.

Diese Lizenz erlaubte ihm, sich 1770 mit einer Arztpraxis im preußischen Bochum niederzulassen, der Heimatstadt seiner Ehefrau. Dort machte er dann Karriere als erster akademisch ausgebildeter Arzt und Bergarzt, als Dichter der „Jobsiade“, als Verfasser der ersten Stadtgeschichte Bochums, als Verfasser medizinischer Schriften (über Urin als Mittel zur Diagnose von Krankheiten, Gesundheitsratgeber für Bergleute, Geschichte der Heilkunde) und Fachartikel über die Bienenhaltung.

Der vielfach engagierte Arzt war hochgeehrt – u.a. mit dem Ehrendoktortitel, dem Titel eines preußischen Hofrats. Er war „Maler und Zeichner, der mit Humor gegen den Aberglauben, die Dummheit und die Missverhältnisse seiner Zeit kämpfte“. Nach ihm sind Straßen benannt. Nur das Geburtshaus in Mülheim hat die Zeiten nicht überdauert. Kortum starb 1824 in Bochum. In Mülheim gibt es eine Kortumstraße.

 Hermann Adam von Kamp wurde 1796 in Ruhrort geboren. Kamp unterrichtete seit 1814 bis zu seinem Tod 1867 an verschiedenen Mülheimer Schulen. Mehr als 50 Jahre im Schuldienst – das war dem König von Preußen 1864 einen Orden – den roten Adlerorden – wert.

Überregionale Bekanntheit erlangte der Lehrer als Heimatforscher („Das Schloss Broich und die Herrschaft Broich. Eine Sammlung geschichtlicher Merkwürdigkeiten“) und durch seine Kinder- und Jugendbücher. Der Text des Liedes „Alles neu macht der Mai" (1829) wurde populär und zählt zu den bekanntesten deutschen Volksliedern. Seine zahllosen Gedichte sind hingegen vergessen. Seine Erzählung „Adelaide – das Mädchen vom Alpengebirge“ (1830) könnte eine Vorlage für Johanna Spyris Heidi-Roman gewesen sein, wenn es nach einer Fernsehreportage des Schweizer Fernsehens im April 2010 geht. Hermann Adam von Kamp wurde als deutscher „Vater" Heidis präsentiert.

An Hermann Adam von Kamp erinnern in Mülheim ein Denkmal im Witthausbusch und ein Straßenname.

Friedrich August Bungert wurde 1845 in Mülheim an der Ruhr geboren. Während die hier genannten Mülheimer Größen eine gewisse – zum Teil überregionale – Bekanntheit genießen, haben die heutigen Mülheimerinnen und Mülheimer normalerweise nichts von ihm gehört – zu Unrecht. Immerhin gehörte Bungert im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Kreis der bekanntesten deutschen Komponisten.

Wäre es nach seinem Vater gegangen, sollte Bungert Kaufmann werden; er missbilligte die „unglückselige Neigung“ des Sohnes zu einem musikalischen Beruf. Bungert verließ Mülheim nach dem Schulabschluss, um in Köln Musik zu studieren. In seine Heimatstadt kehrte er nicht mehr zurück. Umso abenteuerlicher war sein Leben außerhalb Mülheims.

Bungert war nicht nur Komponist, sondern vertonte auch eigene Dichtungen. Damit tat er es seinem älteren Kollegen Richard Wagner gleich. Wie jener schrieb er Musikdramen, nahm allerdings – im Unterschied zu Wagner – die Stoffe aus der griechischen Sagenwelt. Ähnlich wie Wagner hatte er einen Sponsor, nur, dass es eine Sponsorin war – nämlich Königin Elisabeth von Rumänien. Er hatte sie unter ihrem Künstlernamen Carmen Sylva in Italien kennen gelernt. Bungert vertonte ihre spätromantischen Gedichte. Die Königin pflegte eine lebenslange Freundschaft mit ihm und schenkte ihm eine Luxusvilla in Leutesdorf am Rhein und ehrte ihn mit einem Orden. Der Bau einer Festspielhalle in Bad Godesberg kam nicht zustande.

Bungert genoss künstlerischen Ruhm und lebte im Wohlstand. Er starb 1915 in Leutesdorf. Ein Straßenname erinnert in seiner Geburtsstadt an ihn.

Kai Rawe, der langjährige Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, beschreibt, warum Bungerts Ruhm verblasst ist: „Der 1920 noch prophezeite ‚ewige Ruhm‘ stellte sich nicht ein. Das Werk Bungerts stand offenbar zu sehr am Ende einer musikgeschichtlichen Entwicklung und konnte sich daher mit neuen Strömungen, die den Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt haben, nicht vergleichen.“

Soviel für heute – in der nächsten Folge betrachten wir die Entwicklung Mülheims vom Landstädtchen zur Industriestadt.

Es grüßt Euch herzlich

Euer Günter